
Leukämie und Gehirntumoren bei Kindern
Das WIV-ISP hat zuerst einen Überblick der Veröffentlichungen gegeben, um den Zusammenhang zwischen Kinderkrebs und den möglichen Umweltursachen zu untersuchen. Verschiedene ausländische Studien wurden untersucht. Die untersuchten Krebsarten waren Leukämie und Gehirntumoren, weil diese Krebsarten mehr als die Hälfte aller Kinderkrebsfälle ausmachen.
Leukämie ist Krebs der weißen Blutkörperchen. Diese weißen Blutkörperchen wachsen sehr schnell, setzten sich im Knochenmark fest und stören die Bildung der normalen Blutzellen. Genetische Faktoren können allen Krebsarten zugrunde liegen. Auch externe Faktoren, wie z.B. biologische, physische und chemische Elemente, haben ihren Einfluss.
Gehirntumoren sind die am meisten vorkommenden soliden Tumoren bei Kindern. Auch hier können erbliche Faktoren zugrunde liegen, aber auch biologische (SV40-Virus), physische (ionisierende Strahlung) und chemische (Gemische aus Nitrosamid) Elemente können die Entwicklung der Gehirntumoren beeinflussen.
Kinderleukämie in der Nähe von Kernkraftanlagen
Während einer zweiten Phase hat das WIV-ISP eine Studiedurchgeführt, die das Risiko für akute Kinderleukämie in der Nähe von Kernkraftanlagen in Belgien untersucht hat. Ziel war es, zu untersuchen, ob in der Nähe von Kernkraftanalagen in Belgien mehr Kinderleukämiefälle im Vergleich zu anderen Gebieten vorkommen. Statistische Daten wurden zur Ermittlung von Clustern (ein Krebscluster ist eine größer als erwartete Anzahl von Krebserkrankungen in einer geografischen Region und in einem Zeitraum) angewendet. Die folgenden Daten wurden angewendet:Bevölkerungsdaten, sozioökonomischer Status und Einkommen und Daten über städtische/ländliche Gebiete, Daten über Krebsfälle.
Das WIV-ISP hat die Daten von 2004 bis 2008 untersucht. Wenn es sich um Kinderkrebs handelt, werden Kinder zwischen 0 und 14 Jahren berücksichtigt. In der Periode 2004-2008 wurden 420 Leukämie-Diagnosen bei Kindern gestellt. Genauso wie in den anderen Industrieländern, kommt Kinderleukämie am meisten vor zwischen 2 und 5 Jahren.
Die Studie war eine ökologische Untersuchung in der Nähe von Kernkraftanalagen aus Klasse 1 (schädliche und gefährliche Anlagen). Gebiete, die weniger als 20 Kilometer von einer Kernkraftanlage entfernt sind, wurden berücksichtigt. Weil keine einzige belgische Gemeinde weniger als 20 Kilometer vom Kernreaktor in Borssele (in den Niederlanden) entfernt ist, wurde diese Kernkraftanalage nicht in die Studie aufgenommen.
Bei der Analyse des WIV-ISP stellte sich heraus, dass in weniger als 20 Kilometern Entfernung von den 5 Kernkraftanlagen nicht mehr akute Kinderleukämiefälle als anderswo vorkommen. Weder in der Nähe der Kernkraftanlagen Doel und Tihange, noch in der Nähe der Kernkraftanlagen Mol und Fleurus wurde eine erhöhte Anzahl von Kinderleukämiefällen festgestellt. Auf belgischem Gebiet in der Nähe der Kernkraftanlage Chooz wurden keine Kinderleukämiefälle festgestellt. Es gab jedoch keine Zahlen über das Gebiet in Frankreich.
Widersprüchliche Ergebnisse in der französischen Studie
Eine neue französische Studie widerspricht jedoch den Ergebnissen des WIV-ISP. Aus dieser Studie des INSERM (l'Institut National Supérieur des Études et de la Recherche Médicale) und des IRSN (Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire) ergibt sich, dass Kinder jünger als fünf Jahre, die weniger als fünf Kilometer von einer Kernkraftanlage entfernt wohnen, ein doppelt so hohes Risiko für Leukämie als Altersgenossen haben, deren Wohnort weiter entfernt von einer Kernkraftanlage liegt. Frankreich hat 58 Kernkraftanlagen und ist das europäische Land, das die meisten Kernkraftanlagen besitzt. Die Art der Kernkraftanlage spielt bei der Entwicklung von Leukämie keine Rolle.
Bemerkungen zur WIV-ISP-studie
Was seine Studie betrifft, weist das WIV-ISP auf einige Einschränkungen hin:
- “Weniger als 20 Kilometer” ist ein willkürlich gewählter Abstand. Dieser Abstand ist auch viel grösser als der in der französischen Studie gewählte Abstand (weniger als 5 Kilometer).
- Die verfügbaren belgischen Daten beziehen sich auf einen sehr beschränkten Zeitraum. Nur Daten von 2004 bis 2008 sind in die Studie aufgenommen. Nur seit 2004 sind Daten, die sich auf das ganze Land beziehen, vorhanden. Die Daten nach 2008 sind zurzeit unklar.
Das WIV-ISP empfiehlt demzufolge, innerhalb von etwa 5 Jahren diese Studie in Belgien zu wiederholen, sobald mehr Daten verfügbar sind.